Keine Aufklärungsgespräche zur "Sterbeverfügung"
Aufgrund der ärztlichen Gewissensfreiheit stehe ich für ein Attest zur Erstellung von Sterbeverfügungen nicht zur Verfügung. Mir ist bewusst, dass das Lebensende bei Menschen krankheitsbedingt oder im Alter individuell stark herbeiersehnt werden kann und immer schon war die Frage nach dem Sinn Teil meiner Kommunikation mit Patient*innen. Eine Antwort darauf kann jeder nur selbst finden. Manche Expert*innen sehen im Durchleben dieser Erfahrungen eine zu bewältigende Lebensaufgabe, denn krank oder bedürftig sein ist immer auch menschlich, weil wir grundlegend verletzlich sind. Würdelos oder demütigend dabei wäre es, keine Anteilnahme oder Linderungsangebote in der Not zu erhalten. Beides sind zentrale Elemente von Palliative Care. Als Arzt sehe ich die persönliche Zuwendung als Notwendigkeit in der Begegnung von Menschen mit suizidalen Absichten.
Ein Sterbewunsch ist laut aktueller Forschungen mehr schwankend als dauerhaft vorliegend, womit ich auch die ärztliche Aufgabe in den Hilfs- und Beratungsangeboten zum Leben sehe.
So sehr ich die Selbstbestimmung beachte und respektiere, so ist sie doch keinesfalls grenzenlos. Sie benötigt immer ein Gegenüber, das jener Person diese Autonomie überhaupt erst ermöglicht. Ich erlebe die Forderung der Erstellung einer Sterbeverfügung als (kaum lösbares) Dilemma, denn der Wunsch der anfragenden Person steht meiner ärztliche Grundhaltung, einem Suizid zuzustimmen, entgegen. Somit lehne ich eine erbetene Stellungnahme zur Gewährung eines unterstützten Suizids ab. Jedoch biete ich jeder Person, die sich zu diesem Thema mit mir auseinandersetzen möchte, vielleicht auch die Möglichkeiten von Linderung und Beistand genauer besprechen möchte, Gespräche darüber an.